Flücht­lin­ge als Nach­ba­rin­nen – wer sie sind, wo­her sie kom­men, wie es ih­nen geht

 

Ein ganz be­son­de­res Frau­en­früh­stück er­leb­ten die et­wa 50 Frau­en am Sams­tag, den 23. April im Ev. Ge­mein­de­haus UmmelnFrauenfrühstück

Gast­bei­trag von An­net­te Kleine

 

Ge­flüch­te­te Frau­en er­zähl­ten den sicht­lich be­rühr­ten ein­hei­mi­schen Zu­hö­re­rin­nen, wie es ih­nen als Asyl­su­chen­de geht und wie ihr Weg bis hier­her ver­lau­fen war.  Die  Ent­schei­dung für „Flücht­lin­ge als Nach­ba­rin­nen“  als Frau­en­früh­stücks­the­ma war ge­fal­len, als im No­vem­ber letz­ten Jah­res mit ei­nem Schlag über 500 ge­flüch­te­te Men­schen nach Um­meln ge­kom­men wa­ren. Im Fo­cus der öf­fent­li­chen Auf­merk­sam­keit ste­hen meist eher die Män­ner. Das Frau­en­früh­stücks­team  woll­te aber auch wis­sen, wie es den  Frau­en geht. Wie ha­ben sie  die Flucht über­stan­den? Wie ist ih­re Le­bens­si­tua­ti­on hier? Da­zu wa­ren die drei So­zi­al­ar­bei­te­rin­nen aus dem Quar­tier Ze­dern­stra­ße ein­ge­la­den wor­den, Ha­li­ma Eloua­ha­bi, Iri­na Grinko, Ay­se­gül Kö­se, die über den Ver­lauf ei­nes Asyl­ver­fah­ren in­for­mier­ten und  ei­nen gu­ten Ein­blick in ih­re Ar­beit mit den ge­flüch­te­ten Men­schen in Um­meln ver­mit­tel­ten.  Die Or­ga­ni­sa­ti­on von Sprach­kur­sen und Sprach­ca­fés, der Schul­be­such der Kin­der, Ver­mitt­lung von Prak­ti­ka und Ein-Eu­ro-Jobs ge­hö­ren eben­so da­zu wie Be­ra­tung und kon­kre­te Hilfs­stel­lun­gen für schwan­ge­re Frau­en und Müt­ter mit klei­nen Kin­dern.  Im Vor­ge­spräch hat­ten die So­zi­al­ar­bei­te­rin­nen vor­ge­schla­gen, auch die ge­flüch­te­ten Frau­en selbst zu Wort kom­men zu las­sen. Fünf Frau­en aus Sy­ri­en und Aser­bait­schan wa­ren mit­ge­kom­men. Was sie er­zähl­ten, hat­ten die Zu­hö­rin­nen  schon oft in den Me­di­en ge­hört und ge­se­hen. Doch so haut­nah da­von zu hö­ren, ging vie­len sehr na­he: Der Weg über das Mit­tel­meer mit über 40 Men­schen in ei­nem viel zu klei­nen Boot oh­ne Ka­pi­tän. „Run­ning from de­ath to de­ath“ nann­te ei­ne Mut­ter von vier Kin­dern ih­ren Weg von Sy­ri­en über den Bal­kan, der mit so viel Schre­cken und Angst ver­bun­den war. Be­son­ders in Un­garn wa­ren die Flücht­lin­ge wie Kri­mi­nel­le be­han­delt wor­den. Sie­ben Ta­ge lang muss­ten sie in ei­nem Park über­nach­ten. Die Po­li­zei hat sie schließ­lich mit kal­tem Was­ser über­gos­sen, um sie von dort zu vertreiben.

Frauenfrühstück

In Deutsch­land an­ge­kom­men, hat sie sich end­lich si­cher ge­fühlt. Und als vor ei­ni­gen Ta­gen ihr Mann und ih­re bei­den Töch­tern, von de­nen sie acht Mo­na­te lang ge­trennt war, plötz­lich vor der Tür stan­den, da war das wie ein Wun­der. „Wir sind Men­schen wie ihr“, sag­te sie den wie ge­bannt zu­hö­ren­den Frau­en. „Mit Be­ru­fen wie ihr“. Sie war Leh­re­rin, ihr Mann Elek­tro­in­ge­nieur. Sie hat­ten ein gu­tes Le­ben in Sy­ri­en. Nie­mals im Le­ben hät­te sie sich vor­stel­len kön­nen, dass sie ein­mal ein Flücht­ling sein müss­te. Es macht sie sehr un­si­cher, nicht zu wis­sen, ob sie hier will­kom­men ist.  Sie wünscht sich, mehr im Kon­takt und im Ge­spräch mit Deut­schen zu sein.  Es ist nicht gut, wenn die Flücht­lin­ge un­ter sich bleiben.

Dem schlie­ßen sich die an­de­ren Frau­en an. Wenn sie Ver­mie­ter fän­den, die ei­ne preis­güns­ti­ge Woh­nung zu ver­ge­ben ha­ben, dann wür­de ei­nem Um­zug  in ei­ne  Woh­nung  mit Deut­schen als Nach­barn  auch nichts ent­ge­gen stehen.

Zu ar­bei­ten ist für Asyl­su­chen­de nach sechs Mo­na­ten mög­lich. Ei­ne der Frau­en wür­de ger­ne in Ih­rem Be­ruf als Fri­seu­rin ar­bei­ten. Aber die Spra­che ist jetzt erst ein­mal das Wich­tigs­te. Und wie­der mit ih­rem Mann zu­sam­men le­ben zu kön­nen, der in ei­ner an­de­ren Stadt, 300 km ent­fernt,  sein Asyl­ver­fah­ren ab­war­ten muss. War­um er nicht zu sei­ner Fa­mi­lie zie­hen darf, war trotz in­ten­si­ver Un­ter­stüt­zung durch deut­sche Be­kann­te bis­her nicht in Er­fah­rung zu brin­gen. Das ist deut­sche Bü­ro­kra­tie. Da sind Men­schen Num­mern, lau­tet ein Kom­men­tar dazu.

Ei­ne wei­te­re Frau, die ei­gent­lich auch von sich er­zäh­len woll­te, muss den Raum ver­las­sen,  weil an die­sem Vor­mit­tag so viel Trau­ri­ges in ihr hoch kommt, dass sie nur noch wei­nen kann.  Ei­ne an­de­re hat  vor we­ni­gen Ta­gen er­fah­ren, dass ihr Haus in Sy­ri­en jetzt ei­ne Rui­ne ist.

Trotz­dem  ist es kei­ne ge­drück­te Stim­mung an die­sem Vor­mit­tag, son­dern ei­ne At­mo­sphä­re von Nä­he und Wärme.

Am En­de steht die Ver­ab­re­dung,  sich spä­tes­tens nach dem Ra­ma­dan wie­der zum Früh­stü­cken und vor al­lem zum mit­ein­an­der Re­den einzuladen.