Wer sind unsere neuen Nachbarn? Woher kommen sie? Was bewegt sie? Wie erleben sie ihr Leben in Deutschland?
Mohammad war so freundlich mit uns über sich und sein Leben zusprechen.
Flüchtling in der 3. Generation
Ich heiße Mohammad, bin 40 Jahre und komme aus Aleppo in Syrien. Meine Eltern sind ursprünglich aus Palästina. Mein Vater war auch Flüchtling. Ich bin in Syrien geboren. Ich habe keinen syrischen Pass. Nur einen Ausweisersatz, wo draufsteht, dass ich aus Palästina bin. Es gibt keine palästinensischen Pässe. Wir Palästinenser sind schon seit 70 Jahren auf der Flucht. Meine Kinder sind jetzt unsere 3. Generation auf der Flucht. Meine Eltern flüchteten aus Palästina nach Syrien. Dort bin ich geboren, aufgewachsen und habe eine Familie gegründet.
Im Dezember 2012 sind wir wegen dem Krieg aus Aleppo in die Türkei geflüchtet. In der Hoffnung auf ein besseres Leben habe ich mich 2015 alleine auf den Weg nach Deutschland gemacht. Ich bin jetzt hier, meine Frau ist in der Türkei mit meinen Kindern.
Ich musste meine Familie zurücklassen. Die Flucht war zu gefährlich. Ich bin mit dem Boot gekommen. 40 Personen in einem kleinen Schlauchboot!
Beim Abschied habe ich meine Kinder ein letztes Mal umarmt und ihnen versprochen, dass ich sie nach 3 Monaten nachhole. Ich wusste es nicht besser.
Ich vermisse meine Familie sehr. Ich habe sie 2 Jahre nicht gesehen. Ich habe mir das alles anders vorgestellt. Auf Facebook sah das alles sehr einfach aus. Es sah so aus, als ob die Familie ganz einfach nachgeholt werden könnte. Und das Leben in Deutschland wurde sehr schön dargestellt. Mein Schwager ist auch alleine gekommen und konnte seine Familie nachholen.
Meine Kinder bekommen mit, wie andere Väter ihre Familien nacheinander nach Deutschland nachholen. Sie sagen, Papa warum fahren die anderen? Warum können wir nicht kommen? Das tut mir sehr leid. Es geht ihnen im Osten der Türkei nicht gut. Es gibt keine materielle oder soziale Unterstützung. Im Ramadan bekommen sie einen Karton Lebensmittel, das ist alles. Sie müssen Miete bezahlen, ich kann ihnen kein Geld schicken. Mein 16 jähriger Sohn arbeitet am Wochenende auf dem Jahrmarkt und verdient 20 Lire, umgerechnet 5 €. Ohne die materielle Hilfe unserer Familie wüsste ich nicht, was wir tun könnten.
Eine weitere große Enttäuschung war die Anhörung beim BAMF. Es ging um mein Leben und die Zukunft meiner Familie. Es ging um alles. Wie gern hätte ich mich klar ausgedrückt und meine Gründe für die Flucht erklärt. Ich bin ehrlich. Ich lüge nicht. Ich weiß, dass einige Menschen nicht die Wahrheit sagen um einen Vorteil für das Bleiberecht zu bekommen. Ich habe das nicht gemacht. Ehrlichkeit ist für mich sehr wichtig.
Bei der Anhörung fühlte ich mich nicht verstanden und konnte mich nicht ausdrücken. Es gab einen Zeitdruck bei der Anhörung. Ich hätte mehr Zeit gebraucht. Was ich vorgetragen habe, hat der Dolmetscher sehr verkürzt wiedergegeben. Außerdem sprach er Arabisch mit Dialekt. Er war kein geeigneter Dolmetscher.
Ich habe den subsidiären Schutz erhalten. Damit kann meine Familie erst einmal nicht nachkommen. Andere Religionsgemeinschaften erhalten 3 Jahre Flüchtlingsschutz und holen ihre Familien jetzt nach. Das finde ich ungerecht.
In Deutschland angekommen, lebe ich jetzt in Bielefeld Ummeln. Der Start war nicht einfach. Ich habe mit meinen Freunden zu Beginn einen Alphabetisierungskurs besucht. Dort wurden wir ausgelacht- so fühlten wir uns jedenfalls-. Doch jetzt bin ich stolz auf mein B1 Zertifikat. Die Prüfung war sehr schwer. Wir haben eine Lerngruppe gegründet und haben uns gut vorbereitet. Der Sprachtreff hier hat uns unterstützt. Außerdem bin ich jeden Tag ins Kaffee gegangen. Das war hilfreich.
Ich suche eine Arbeitsstelle, doch bisher hat es nicht geklappt.
Ich bin ein gläubiger Mensch. Mein Glaube gibt mir Hoffnung. Ich bete jeden Tag für meine Familie. Auch wenn es schwierig ist, möchte ich die Geduld und die Hoffnung niemals aufgeben. Meine Freunde helfen mir.
Ich träume davon, dass ich wieder mit meiner Familie vereint bin.
Mohammad, 40 Jahre
Das Interview führte Ayse Köse.